Unbewussten Vorurteilen auf der Spur: Die Bias Observer bei McKinsey
McKinsey/Kai Müller

Praxisbeispiel Unbewussten Vorurteilen auf der Spur: Die Bias Observer bei McKinsey

Die persönliche Weiterentwicklung aller Talente spielt bei McKinsey eine zentrale Rolle. Bereits im Einstellungsgespräch bekommen sie die Garantie: Wer bestimmte Entwicklungskriterien erfüllt, kommt weiter. Alle haben die gleichen Chancen. Ellenbogen, Bauchentscheidungen, persönliche Präferenzen spielen keine Rolle. Um dieses Versprechen einzulösen, setzt McKinsey auf objektive Leistungsbeurteilung anhand von klar definierten Erwartungen für jede Karrierestufe, verbunden mit regelmäßigem Feedback und breit aufgestellte Personalentwicklungsgremien.

Julia Sperling von McKinsey

Dennoch hat McKinsey festgestellt, dass sich trotz dieser Kultur unbewusste Vorurteile in die Prozesse einschleichen können. Neuartige Analysetechniken haben dabei geholfen, aufzudecken, wo sich die unbewussten Vorurteile bemerkbar machen und wie sie Personalentscheidungen beeinflussen können.

Schriftliche Evaluationen, die als Grundlage für Entscheidungen in den Personalgremien dienen, wurden vollständig anonymisiert mithilfe von Text-Sentiment-Methoden analysiert. In der Analytik der Polarität von Sprache und Wortwahl der Evaluator:innen konnten dabei zweierlei Unconscious Biases transparent gemacht werden:

  1. Männliche Entscheider beschreiben in ihren Evaluationen und Feedbacks die Leistung von männlichen Kandidaten signifikant enthusiastischer/positiver als die Leistung weiblichen Kandidatinnen bei gleicher objektiver Leistungsbewertung (auf einer Skala von 1 bis 5). Weibliche Entscheiderinnen beschreiben ihre Kandidaten und Kandidatinnen in Summe weniger enthusiastisch und neutraler.
  2. Weibliche Kandidatinnen erhalten, unabhängig vom Geschlecht des/r Entscheider:in, signifikant weniger greifbares und konkret umsetzbares Feedback als männliche Kandidaten.
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Im entscheidenden Moment eingreifen

Die Daten haben Transparenz zu Unconscious Biases in einzelnen Personalentscheidungsprozessen geschaffen, so dass McKinsey gezielt strukturelle Verbesserungen der Entscheidungsprozesse angehen konnte. „Unconscious Biases liegen in der menschlichen Natur, weshalb es insbesondere darum geht, sich des möglichen Biases in den entscheidenden Momenten aktiv bewusst zu werden, innezuhalten, sich zu hinterfragen, um dann eine reflektierte und möglichst objektive Entscheidung zu treffen“, sagt Martin Huber, Seniorpartner bei McKinsey, der die Einführung der Bias Observer vorangetrieben hat.

McKinsey hat daher in allen Gremien, die Personalentscheidungen treffen, Bias Observer eingeführt. Diese Gremien bestehen meist aus etwa zehn Partnerinnen und Partnern, die in der Regel zweimal im Jahr zusammenkommen. Sie diskutieren über die Entwicklung der einzelnen Kolleg:innen und entscheiden über ihre Beförderung auf die nächste Stufe. Bei den Bias Observern handelt es sich ebenfalls um Partner:innen, die gezielt als solche geschult worden sind. Sie sitzen in den Gremien als Beobachtende dabei und greifen in die Diskussion ein, falls sich ein Bias bemerkbar macht. Da sie selbst Partner:innen sind, können sie auf Augenhöhe mit den Evaluator:innen diskutieren.

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Objektivität in den Personalentscheidungen sicherstellen

Sie beobachten die Bewertung aller Kandidat:innen aufmerksam und stellen Unconscious Biases im entscheidenden Moment zur Diskussion. Gemeinsam mit den Entscheider:innen im Gremium sichern sie die Objektivität in allen Entscheidungen. Die Bias Observer achten darauf, dass häufige Formulierungen und Wörter, die mit unbewussten Biases bezüglich einer Gruppe verbunden sind, erkannt und transparent gemacht werden.

Auch sorgen sie für ein möglichst hohes Maß von Objektivität, indem sie etwa darauf hinweisen, wenn Entscheider:innen nicht die gesamte Bandbreite erfolgreicher Führungsstile anerkennen, sondern Talente mit dem ihrem eigenen Stil entsprechenden Führungsstilen fördern.

„Bias Observer können unbewusste Biases nicht vermeiden. Sie stellen aber sicher, dass diese aktiv angesprochen werden und ihr Einfluss auf Personalentscheidungen vermindert wird”, sagt McKinsey-Partnerin Julia Sperling-Magro, die die Einführung der Bias Observer in allen europäischen Gremien zur Partner:innen-Nominierung vorangetrieben hat und weltweit Bias-Observer auswählt und trainiert.

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Martin Huber, McKinsey

40 Prozent mehr Partnerinnen

Seit Einführung der Bias Observer 2020 waren in diesem Jahr erstmals knapp 40% der neu ernannten Partner:innen Frauen. Einige davon waren zu dem Zeitpunkt sogar in Elternzeit.

Auch bei diesen Entscheidungen waren Bias Observer anwesend und haben darauf geachtet, dass ausschließlich leistungsbezogene Aussagen in die Bewertungen und Entscheidungen eingeflossen sind.