Vermächtnisstudie 2023
Fotos Kevin Fuchs

Vermächtnisstudie 2023 Vermächtnisstudie: Was bedeutet unsere stetige Entwicklung für Beruf und Familie?

Unsere Gesellschaft wandelt sich seit jeher stetig. Doch wohin geht diese Entwicklung, wie sehen die Vorstellungen für Beruf und Familie aus? Die Vermächtnisstudie im Auftrag von Die ZEIT, infas und WZB in Kooperation mit der Initiative Chef:innensache geht diesen Fragen nach. Sie zeichnet ein Bild der aktuellen Gesellschaft und identifiziert Veränderungen gegenüber den letzten Jahren. Auf der „ZEIT für Arbeit“-Konferenz wurden die ersten Ergebnisse der Erhebung und dazugehörige Implikationen diskutiert.

Kanzler und Schirmherr der Initiative Chef:innensache, Olaf Scholz im Grußwort zur Studie:


Über Ihren Erfolg als US-Verfassungsrichterin hat Ruth Bader Ginsburg im Jahr 1993 gesagt: „Ich habe das große Glück, mein Leben mit einem Mann zu teilen, der glaubt, dass die Arbeit einer Frau – sei es zu Hause oder im Job – genauso wichtig ist, wie die eines Mannes.“ Dreißig Jahre später ist die Haltung von Martin Ginsburg auch in unserem Land mehrheitsfähig: Das Interesse von Frauen und Männern daran, die Erwerbs- und Sorgearbeit in Partnerschaften fair aufzuteilen, ist nahezu gleich stark ausgeprägt. Das belegt die aktuelle Erhebung der Vermächtnisstudie von der ZEIT, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Kooperation mit der Initiative Chef:innensache.

Entscheidung zwischen Beruf und Familie: Frauen durch Mental Load belastet

Viele Frauen wenden sich in Zukunft eher dem Beruf zu, weil sie dort Unterstützung erfahren – denn zu Hause wäre das nicht der Fall. Diese drastische Prognose traf Prof. Dr. Jutta Allmendinger mit Blick auf die Ergebnisse der Vermächtnisstudie. Ausschlaggebend dafür sei, dass Familie und Karriere weiterhin nur schwer unter einen Hut zu bringen seien. Zusätzlich zur physischen Betreuungsarbeit hebt die Studie dabei erstmals den Mental Load hervor. Demnach übernehmen Frauen in 18 von 21 Aspekten der Planung und Organisation im Familienalltag mehrheitlich die Verantwortung und sind dementsprechend zusätzlich einer mentalen Belastung ausgesetzt. Männer sind sich dieser Diskrepanz ebenfalls – wenn auch weniger stark – bewusst. Dabei ist die Aufteilung in der Partnerschaft weitestgehend unabhängig von der Erwerbssituation und betrifft demnach also auch vollzeiterwerbstätige Frauen.

Elternzeit und Druck der Arbeitgeber als Hürden für Väter

Dass die Situation der Familienbetreuung so stark zuungunsten der Frauen ausfällt, liegt allerdings nicht ausschließlich an fehlender Bereitschaft der Männer. Denn die Gesellschaft stellt ungleiche Erwartungen an Väter, ebenso werden Hürden vonseiten der Unternehmen aufgebaut.

73 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer sind der Meinung, dass Druck vom Arbeitgeber ein Grund für die mangelnde Zeit von Vätern für Familie ist. Darüber hinaus wirkt sich die Elternzeit bei Vätern negativer auf die Karriere aus. Etwa die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass sich eine zwölfmonatige Elternzeit negativ auf das berufliche Fortkommen von Vätern auswirkt, nur ein Drittel sieht die Karriere von Frauen dadurch beeinträchtigt. Dieser Umstand erschwert es zusätzlich, dass sich Väter sowohl in Elternzeit als auch allgemein mehr Zeit für die Kinderbetreuung nehmen. Hinzu kommen noch Faktoren wie fehlender Mut und finanzielle Gründe.

Vermächtnisstudie 2023, Hürden für Väter

Nur wenn passende Rahmenbedingungen geschaffen werden, kann Chancengerechtigkeit in der Berufswelt Einzug erhalten. Das bleibt die Mission der Initiative Chef:innensache.
Dass der Bedarf an alternativen Karrieremöglichkeiten und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegeben ist, zeigt auch die Frage nach Jobalternativen. Bei der Wahl zwischen zwei Jobs würden sich 56 Prozent der Väter und 72 Prozent der Mütter für die Variante mit familienfreundlicheren Bedingungen entscheiden, nur ein geringerer Teil für Aufstiegsmöglichkeiten und mehr Gehalt. Um auch hier die Lücke zwischen Frauen und Männern zu schließen, sollten Unternehmen daran arbeiten, attraktive Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten und Flexibilität gleichermaßen zu gewährleisten.

Beförderungen von Frauen werden als besonders fair wahrgenommen

Dass in der Gesellschaft das Bewusstsein für Chancengerechtigkeit gewachsen ist, zeigt auch die Wahrnehmung von Beförderungen. Der Studie zufolge wird die Beförderung von Frauen generell als deutlich fairer empfunden als die von Männern. Fleiß und Intelligenz werden bei Frauen als entscheidenderer Faktor wahrgenommen. Dies zeigt zum einen, dass die Leistungszuschreibung für Frauen groß bleibt, indiziert auf der anderen Seite aber auch, dass Frauen für die gleiche Beförderung mehr leisten müssen. Es ist daher wichtig, dass Chancengerechtigkeit bei Beförderungen nicht nur in der Wahrnehmung Einzug erhält, sondern auch in der Praxis.

Familienministerin Lisa Paus im Panel-Talk auf der „ZEIT für Arbeit“-Konferenz

Welche Lehren aus den Ergebnissen der Studie gezogen werden und wie sich Chancengerechtigkeit noch stärker in der Gesellschaft etablieren lässt, wurde auf der „ZEIT für Arbeit“-Konferenz am 23. Mai diskutiert.

Mit dabei waren namhafte Gäste aus der Politik, Forschung und Wirtschaft, wie Bundesministerin Lisa Paus, Prof. Dr. Lena Hipp, oder Siemens Chief People & Sustainability Officer Judith Wiese.

Weitere Einblicke zur Konferenz finden Sie hier.