Doppelspitze beim ZEIT Verlag
ZEIT Verlag

ZEIT Verlag: Doppelspitze als Zukunftsmodell

Interview mit Ressortleiterin Charlotte Parnack und Ressortleiter Roman Pletter vom ZEIT Verlag über die Vorteile einer Doppelspitze.

Welche Aufgabenteilung habt ihr in Eurer Führungsrolle?

Charlotte & Roman: Wir wechseln uns alle zwei Wochen in der operativen Führung des Ressorts ab. Bei einer Wochenzeitung bedeutet das: Wer gerade in Charge ist, leitet die Konferenzen des Ressorts und vertritt den Teil nach außen. Wie die Wirtschaftsstrecke dann genau aussieht, bestimmt zwar im Zweifel, wer gerade in der Führung ist. Tatsächlich stimmen wir uns aber laufend ab, teilen Ideen, bitten uns gegenseitig um Rat. Dazu kommt, dass wir nicht nur über aktuelle Entwicklungen berichten, sondern daneben auch mittel- und längerfristige Recherchen in Auftrag geben. Darüber sind wir in regelmäßigem Austausch. Administrative Themen wie Budget- und Personalfragen teilen wir uns von Fall zu Fall auf. Außerdem haben wir journalistisch inhaltlich unterschiedliche Schwerpunkte, über die wir selbst schreiben.

 

Was sind Herausforderungen in so einer Konstellation als Doppelspitze und wie löst ihr sie?

Charlotte: Da müsste ich lange überlegen. Romans und meine Zusammenarbeit ist von einem hohen Maß an Vertrauen und Sympathie geprägt, außerdem von einer großen Schnittmenge an Ideen, was einen guten Wirtschaftsteil inhaltlich ausmacht. Und durch den wechselnden Rhythmus geben wir einander die Freiheit, der Strecke immer zwei Ausgaben lang eine jeweils eigene Handschrift zu geben. Das ist eine Art abwechselnde Hierarchisierung innerhalb einer an sich nicht-hierarchischen Beziehung, die sehr gut funktioniert. Aber okay, wenn ich unbedingt eine Herausforderung nennen soll: Roman arbeitet gerne bis tief in die Nacht, ich dagegen bin Frühaufsteherin. Vorsichtig ausgedrückt: Wir sind uns nicht immer einig darüber, wann der beste Zeitpunkt ist, wichtige Dinge sofort zu besprechen.

Charlotte Parnack über die Doppelspitze beim ZEIT Verlag
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Charlotte Parnack über die Doppelspitze beim ZEIT Verlag

Roman: Wir kannten uns schon vorher und mochten uns. Das war ein großer Vorteil. Natürlich mussten wir uns in den neuen Rollen als Doppelspitze dann noch einmal neu kennenlernen und verstehen, was uns jeweils wichtig ist. Wie in jeder Beziehung war das auch ein Verhandlungsprozess. Seitdem ist unsere Zusammenarbeit davon geprägt, dass Charlotte und ich uns gegenseitig sehr vertrauen und stets loyal zueinander sind. Wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben zu einer inhaltlichen Frage, also etwa dazu, welche Themen wir wie setzen, dann diskutieren wir – und im Zweifel entscheidet, wer gerade mit der operativen Führung dran ist. Das hat für unsere Zeitung sogar einen recht fruchtbaren Effekt, weil der Wirtschaftsteil diverser wird durch unsere unterschiedlichen Handschriften. Wir bilden die Welt auf diese Art und Weise umfassender ab, als wir das allein tun könnten. Und dann gibt es noch das Thema Biorhythmus: Wenn Charlotte aufsteht, bin ich oftmals grad ins Bett gegangen. Für unsere Kolleginnen und Kollegen hat das aber den Vorteil, dass Ihre Chefs fast rund um die Uhr für Dienstleistungen bereitstehen.

 

Würdet ihr Doppelspitzen auch anderen Unternehmen empfehlen?

Charlotte & Roman: Das kommt wie in jeder Führungssituation auf den organisationalen und historischen Kontext an; darauf, ob man eine gemeinsame Idee vom Ziel hat, das man anstrebt. Und natürlich darauf, ob man sich inhaltlich und persönlich gut versteht. Mit Doppelspitzen, die mehr Energie auf Abstimmungsrunden verwenden und darauf, sich gegenseitig zu belauern oder sich übereinander aufzuregen, ist sicherlich keinem Unternehmen geholfen. Bei uns ist es so, dass Manches von dem, das Roman schwerer fällt, Charlotte leichter von der Hand geht und umgekehrt. Also teilen wir das entsprechend auf. So kommen wir oftmals mit weniger individueller Anstrengung zu besseren Ergebnissen, als wenn wir alles allein machen müssten. Dazu hilft es, dass wir uns nach recht intensiven Wochen, in denen wir jeweils das Blatt geleitet haben, etwas zurückziehen und uns auf andere Projekte wie eigene Geschichten oder Moderationen verlegen können. Wenn die Welt sehr unruhig ist, spiegelt sich das ja in einer Redaktion besonders. Der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns nahezu rund um die Uhr und so ist es auch bei anderen Krisen.

Außerdem helfen unterschiedlichen Perspektiven dabei, journalistische oder auch innerredaktionelle Themen zu bewerten und zu bearbeiten – und die eigenen Entscheidungen in einer Doppelspitze erklären zu müssen, ist ein gutes Korrektiv. Weniger hilfreich sind Doppelspitzen sicher, wenn sie von oben eingesetzt werden, um die Macht durch Wettbewerb zu teilen.

Roman Pletter über die Doppelspitze beim ZEIT Verlag
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Roman Pletter über die Doppelspitze beim ZEIT Verlag