Deutsche Bahn: "Frauen entscheiden robuster und wagen Innovationen"
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Vielfalt Deutsche Bahn: „Frauen entscheiden robuster und wagen Innovationen“

80.000 Frauen sind bei der Deutschen Bahn beschäftigt. Das Unternehmen arbeitet daran, diese Frauen sichtbarer zu machen – in allen Bereichen. Wie dem Unternehmen das gelingt, erklärt Martin Seiler, Vorstand Personal der DB, im Interview mit Initiative Chef:innensache.

Martin Seiler Deutsche Bahn
Deutsche Bahn
Martin Seiler, Vorstand Personal und Recht

Warum engagieren Sie sich für die Initiative Chef:innensache?

Mit einem klaren Bekenntnis zu mehr Vielfalt will die DB die Arbeit der Zukunft proaktiv gestalten. Wichtige Meilensteine sind dabei, den Frauenanteil im Unternehmen deutlich zu steigern und mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.

In vielen Unternehmen und Organisationen sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Dieser Herausforderung müssen wir uns gemeinsam stellen und aktiv dafür sorgen, die positive Entwicklung der letzten Jahre – in denen sich der Anteil der Frauen in Führungspositionen bereits gesteigert hat – zu beschleunigen.

Wir arbeiten bei der Deutschen Bahn mit voller Kraft daran, die Rolle der Frauen in unserem Unternehmen zu stärken und Chancengleichheit zu schaffen. Dabei betrachten wir es als unsere gesellschaftliche Verpflichtung mit anderen Unternehmen zu teilen, was bei uns schon gut funktioniert und gleichzeitig von den Erfolgsgeschichten anderer zu lernen.

Aus welchem Grund sollte es mehr Frauen in Führungspositionen geben?

Viele Studien zeigen, dass gemischte Teams und Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in Führungspositionen erfolgreicher sind. Das gilt auch für vielfältige Führungsteams: Sie treffen robustere Entscheidungen und wagen gleichzeitig mehr Innovation, weil verschiedene Perspektiven einbezogen werden.

Als Unternehmen können wir es uns nicht leisten, das Potenzial von 50 Prozent der Bevölkerung zu verschenken. Wir müssen Frauen in die Schlüsselpositionen bringen, in denen sie ihre Fähigkeiten mit der stärksten Strahlkraft einsetzen können und unseren Unternehmen den größten Mehrwert bringen.

Wie unterstützen Sie Ihre Teams bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Die DB hat mit dem Demografie-Tarifvertrag und einer speziellen Konzernbetriebsvereinbarung zu „Beruf, Familie & Biografie“ ein umfassendes Regelwerk als Grundlage für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen.

Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, die zur jeweiligen Lebensphase passen – zum Beispiel durch Wahlmöglichkeiten zwischen einer geringeren Wochenarbeitszeit, mehr Urlaub oder Entgelt, Langzeitarbeitskonten und mobile Arbeit. Zudem gibt es Job-Sharing-Angebote und Teilzeitverträge. Auch Führen ist bei uns in Teilzeit möglich: Führungskräfte können ihre Arbeitszeit auf bis zu 70Prozent reduzieren oder sich als Tandem im Job-Sharing eine Position teilen.

Natürlich unterstützen wir die Mitarbeitenden auch bei der Kinderbetreuung – das reicht von der betriebseigenen Kita über Betreuungsangebote an verschiedenen Standorten bis zur Vermittlung von persönlicher Betreuung.

Welche Maßnahme zur Förderung von Chancengerechtigkeit hatte in den vergangenen Monaten die größte Wirkung in Ihrem Unternehmen?

Im November 2019 haben wir die erste konzernweite Diversity-Woche durchgeführt. Durch zentrale Veranstaltungen und Aktionen und durch die beeindruckende Initiative der einzelnen Geschäftsbereiche haben wir es geschafft, in die Fläche zu kommen. Viele Mitarbeitende und vor allem Führungskräfte wurden mobilisiert und motiviert, sich für Vielfalt einzusetzen. Als Management kann man nicht überall gleichzeitig sein, aber wenn wir viele Diversity-Verbündete in der Fläche haben, dann wird Chancengerechtigkeit gelebt. Damit vereinen wir den Top-Down- mit dem Bottom-Up-Ansatz.

Unserem Diversity-Management liegt ein ganzheitliches Verständnis von Vielfalt zugrunde: Neben den klassischen Dimensionen – Vielfalt der Geschlechter und geschlechtlichen Identitäten, Generationen, ethnische und soziale Herkünfte, Religionen, physischen und psychischen Fähigkeiten, sexuelle Orientierungen – sind für uns die Vielfalt der Perspektiven, Werte, Kompetenzen und Berufserfahrungen von Bedeutung. Das ist uns besonders wichtig, um Chancengerechtigkeit für alle Menschen und nicht nur für eine bestimmte Personengruppe zu erreichen. In der Diversity-Woche 2020 setzen wir daher den Fokus auf unbewusste Denkmuster und darauf, wie man diesen entgegentreten kann.

Welche Rolle spielt Führung in Sachen Chancengerechtigkeit?

Da sehe ich vor allem die Entscheidungstragenden in der Verantwortung, also sowohl männliche als auch weibliche Führungskräfte. Sie müssen sich noch mehr als bisher für die Zielerreichung einsetzen, indem sie Frauen fördern, intern auf Führungspositionen befördern oder externen Bewerberinnen Chancen geben.

Außerdem haben Führungskräfte eine Vorbildfunktion. Sie sollten ihre unbewussten Denkmuster hinterfragen und ohne Vorurteile gegenüber Frauen oder Minderheiten agieren. Das bedeutet auch, Verständnis für vielfältige Bedürfnisse und Arbeitszeitmodelle aufzubringen.

Wie bekämpfen Sie ganz persönlich unbewusste Vorurteile?

Ich rufe mir den Spruch „Niemand gehört in eine Schublade – außer Socken!“ immer wieder gern ins Gedächtnis, um meine eigenen Denkmuster zu hinterfragen und Menschen mit ihren individuellen Fähigkeiten wahrzunehmen.

Außerdem mache ich durch Aktionen auf unbewusste Vorurteile aufmerksam: Im Januar habe ich zum Beispiel gemeinsam mit dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einige neue Mitarbeitende der DB besucht, die nach längerer Arbeitslosigkeit wieder einen neuen Job haben. Dabei habe ich Menschen kennengelernt, die extrem motiviert sind und ihre neue Tätigkeit sehr gewissenhaft ausführen. An dieser Stelle haben Unternehmen häufig blinde Flecken. In der Unternehmenslogik heißt es: Wenn die Person so lange keine Stelle gefunden hat und von vielen Firmen abgelehnt wurde, stimmt mit ihm oder ihr etwas nicht. Aber: Unternehmen und Stellen sind sehr vielfältig in Anforderungsprofilen und Unternehmenskultur. Wieso soll dann die Person, die durch viele Firmen abgelehnt wurde, nicht perfekt zur Deutschen Bahn und zu den Anforderungen der spezifischen Stelle passen? „Willkommen, Du passt zu uns!“, das ist nicht umsonst unser Slogan.

Gibt es eine weibliche Persönlichkeit, die Sie bewundern und wenn ja, welche und aus welchem Grund?

Voller Bewunderung bin ich für die Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich. Dass sie sich auch in schwierigen Zeiten treu geblieben ist und sich nicht von den Nationalsozialisten instrumentalisieren ließ, das finde ich großartig. Als erste große Darstellerin verkörperte sie die emanzipierte Frau auf der Leinwand – aber auch im wirklichen Leben. Zweifellos eine Ikone, die viele nach ihr beeinflusst hat und noch heute fasziniert!