Befragung Dual Career: Können Paare gleichberechtigt Karriere machen?
Paare mit Kindern haben es in Deutschland immer noch schwer, gemeinsam Karriere zu machen. Das ist das zentrale Ergebnis einer von der Initiative Chef:innensache beauftragten Innofact-Befragung unter 1.000 Führungskräften und angehenden Führungskräften in Deutschland. Fast zwei Drittel der Befragten mit Kindern (63 Prozent) empfinden es als schwierig oder sehr schwierig, dass beide Partner ihre Berufswünsche verwirklichen können. Für Paare ohne Kinder ist das offenbar unproblematisch: Nur neun Prozent der Kinderlosen schätzen ihre Doppelkarrieren als schwierig ein.
Zur Umfrage
Im Auftrag der Initiative Chef:innensache befragte das Marktforschungsinstitut Innofact zum
Ende 2018 1.002 Führungskräfte und angehende Führungskräfte, die in Partnerschaften in Deutschland leben.
39 Prozent der Befragten sind weiblich, 36 Prozent der Befragten sind verheiratet. Mehr als 50 Prozent der Teilnehmer gab an, mit dem Partner ein „Vollzeitpaar“ zu bilden.
Die Belastung von Job und Familie spielt eine große Rolle: Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte mit Kindern fühlt sich stark davon beansprucht, Berufliches mit Privatem zu vereinbaren. Dies ist auch ohne eigene Kinder der Fall: 38 Prozent der kinderlosen Führungskräfte sehen das genauso.
Unterstützung erhalten Dual Career Couples am ehesten durch Freunde und Familie – 51 Prozent geben an, davon zu profitieren. Nur 18 Prozent der befragten Führungskräfte fühlen sich ausreichend von ihrem Unternehmen unterstützt, von der Politik lediglich zehn Prozent.
„Wir müssen noch mehr dafür tun, dass duale Karrieren von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik stärker geschätzt und unterstützt werden. Gleichberechtigte Karrieren aber auch Gleichberechtigung bei der Familienarbeit sind für mich das bevorzugte Modell der Zukunft für eine Partnerschaft. Unternehmen werden davon profitieren: durch zufriedene und engagierte MitarbeiterInnen“, so Janina Kugel, Chief Human Resources Officer und Mitglied des Vorstands der Siemens AG.
Wenig gesellschaftliche Akzeptanz von Doppelkarrieren
Insbesondere die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen scheinen Doppelkarrieren zu verhindern, indem sie zu wenig Spielraum für flexible Rollenmodelle lassen. So wünschen sich 65 Prozent der Führungskräfte mehr Akzeptanz für zwei vollbeschäftigte Elternteile. Eine Vollzeitbeschäftigung bei Müttern wird in der Mehrheit ebenso kritisch gesehen wie eine Teilzeitbeschäftigung bei Vätern. Zwar geben 57 Prozent der befragten Führungskräfte an, es sei gesellschaftlich akzeptiert, wenn beide Elternteile arbeiten. Aber
weniger als ein Viertel (23 Prozent) ist der Ansicht, dass es gesellschaftlich akzeptiert ist, wenn nur die Mutter in Vollzeit arbeitet, bei Vätern sind es 76 Prozent.
Vor allem Männer zeigen hierbei ein eher traditionelles Rollenverständnis: 19 Prozent der befragten männlichen Führungskräfte finden es nicht gut, wenn beide Partner gleichwertig ihre Karriere vorantreiben. Bei den befragten Frauen ist nur jede Zehnte dieser Meinung.
Eine Beschäftigung in Teilzeit ist zudem noch immer ein häufiger Karrierekiller. Eine weitere Führungskräftebefragung der Initiative Chef:innensache ergab 2018, dass nur 19 Prozent der Chefs eine Person in Teilzeit in eine höhere Position befördern würden.
„Die Förderung von Dual Careers kann einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der klassischen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau und damit zu mehr Chancengerechtigkeit leisten. Mit einer größeren Diversität bei Lebens- und Erwerbsmodellen und einer höheren Akzeptanz berufstätiger Eltern kann unsere Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft besser meistern“, sagt Cornelius Baur,
Deutschlandchef von McKinsey und Mitglied der Initiative Chef:innensache.
Große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Darüber hinaus sehen die befragten Führungskräfte bei den politischen und sozialen Stellschrauben eine große Kluft zwischen Wunsch und Zufriedenheit: 75 Prozent wünschen sich eine verfügbare Kinderbetreuung, nur 19 Prozent sind mit dem Angebot zufrieden. Ähnlich sieht es bei der Ganztagsbetreuung (Wunsch: 74 Prozent; Zufriedenheit: 17 Prozent) und den Kosten für Kinderbetreuung aus (Wunsch: 72 Prozent; Zufriedenheit: 17 Prozent).
Auch viele von der Wirtschaft angebotene Maßnahmen decken sich nicht mit den Bedürfnissen. Kritikpunkte sind hier vor allem zu statische Arbeitszeitregelungen: Drei Viertel aller Führungskräfte (76 Prozent) wünschen sich eine flexible Einteilung ihrer Arbeit pro Tag und Woche, nur 40 Prozent sind mit der derzeitigen Situation zufrieden. 67 Prozent hätten gerne mehr räumliche Flexibilität, 60 Prozent befürworten Langzeitarbeitskonten.
Drei Viertel der Befragten wünschen sich ein familienfreundlicheres Umfeld im Unternehmen und 63 Prozent wollen ihren Partner in der Karrieregestaltung berücksichtigt wissen. Auch die Unterstützung bei der Arbeitssuche des Partners bei beruflichen Umzügen ist für die Führungskräfte ein zentrales Thema: Wunsch: 60 Prozent; Zufriedenheit: 20 Prozent. Um es Paaren leichter zu machen, ohne berufliche Einbußen gemeinsam mobil zu sein, hat das Chef:innensache-Partnerunternehmen BASF eine DualCareer-Plattform eingerichtet.
Die Mobilität insbesondere hochspezialisierter Fachkräfte ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für globale Unternehmen – auch für uns bei BASF“, sagt Michael Heinz, Mitglied des Vorstands der BASF und Mitglied der Initiative Chef:innensache. „Um es Paaren leichter zu machen, damit sie gemeinsam mobil sein und ihren beruflichen Weg auch im Ausland weiterverfolgenden können, haben wir gemeinsam mit anderen Unternehmen die DualCareer-Plattform ins Leben gerufen.“
Mit Hilfe der Plattform sollen nicht nur den entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
sondern gleichzeitig der jeweiligen Partnerin oder dem Partner attraktive berufliche
Optionen geboten werden.
Chefsache-Report zeigt Praxisbeispiele und Maßnahmen für duale Karrieren
Der neue Report der Initiative Chef:innensache stellt zahlreiche Maßnahmen und Best-Practice-Beispiele vor:
• Flexible Arbeitsmodelle werden bisher von Führungskräften seltener in Anspruch
genommen als von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung. Damit sich das ändert, hat Evonik die interne JobPlattform „PAIRfect“ aufgebaut, auf der jeder einen Tandempartner für eine
gemeinsame Stelle suchen kann.
• Eine der größten Herausforderungen für Karrierepaare mit Kindern ist die
Betreuung des Nachwuchses. 75 Prozent der 25 Chef:innensache-Mitgliedsunternehmen
stellen bereits eine betrieblich unterstützte Kinderbetreuung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit. 40 Prozent bezuschussen Gebühren für
Beratungsservices und Vermittlungsagenturen. Auch externe Ferienangebote sind in vielen Chef:innensache-Organisationen etabliert. So bieten z.B. Siemens, Evonik, der NDR, Volkswagen, die Deutsche Post DHL Group und BASF mit verschiedenen Kooperationspartnern Freizeiten und andere sportliche und kulturelle Aktivitäten für Schulkinder in den Ferien an.
Ein Vorreiter bei der Ad-hoc-Betreuung von Kindern ist die Lufthansa Group. Unter dem Stichwort „Fluggi-Land“ erhalten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kurzfristig Unterstützung, wenn
unerwartete Engpässe bei der Kinderbetreuung auftreten.
• Unterstützung in der Karriere ist aber auch dann wichtig, wenn es zu
Abwesenheitszeiten durch Elternzeit und Familienbetreuung kommt. Beispiele für
solche Förderprogramme sind das „Stay in contacT”-Programm der Deutschen
Telekom, das während Abwesenheitszeiten greift, oder das „Career+”-Programm
von BASF, das Mentoring für Mütter und Väter mit kleinen Kindern bereitstellt.
Viele Chef:innensache-Unternehmen bieten zudem Coachings und strukturierte
Gespräche an, um den Wiedereinstieg etwa nach einer Babypause frühzeitig zu
planen und vorzubereiten. Da noch immer oft Frauen in Dual-CareerKonstellationen zurückstecken, wenden sich einige Mentoringprogramme direkt an
Frauen, etwa das „TAFF”-Programm des TÜV Rheinland („TÜV Rheinland-Angebot
für Fach- und Führungsfrauen“) oder das „GoAhead”-Programm der Lufthansa
Group.
Sie möchten sich den Chef:innensache-Report 2019 herunterladen? Das können Sie hier.