New Work: Führung in modernen Arbeitswelten am Fraunhofer UMSICHT
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Praxisbeispiel New Work: Führung in modernen Arbeitswelten am Fraunhofer UMSICHT

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat es sich zum Auftrag gemacht, ein flexibles, kooperatives, partizipatives, kundenorientiertes Arbeits-und Forschungsumfeld für selbstbestimmte Mitarbeitende zu gestalten. Vorstand und der Personalbereich sind überzeugt, dass es neben dem strategischen Portfolio auch eine Entwicklung neuer Arbeitsweisen und Formate braucht, damit die Gesellschaft langfristig erfolgreiche Innovationsarbeit zum Wohle der Gesellschaft betreiben kann. Fraunhofer verbindet mit New Work Arbeitskonzepte, die gekennzeichnet sind durch die ausgeprägte Virtualisierung von Arbeitsmitteln, die Vernetzung von Personen sowie die Flexibilisierung von Arbeitsorten, -zeiten und -inhalten.

So unterstützt „NewWork@Fraunhofer“ dabei, die Organisation zu vernetzen, mehr Freiraum zu wagen, das Denken zu ändern und eine neue Identität zu entwickelnund trägt auf diese Weise als innovatives Konzept in hohem Maße dazu bei, Chancengerechtigkeit zu fördern. Dies gelingt dem Projekt dadurch, indem es an der Unternehmenskultur mit ihren Rahmenbedingungen und den subjektiven Einstellungen der Beschäftigten ansetzt. Durch die Verankerung von flexiblem und agilem Arbeiten auf struktureller Ebene erhalten Frauen und Männer verbesserte und vielfältigere Karriere-und Entwicklungsmöglichkeiten und eine größere Freiheit, die eigene Karriere mit dem Privatleben zu vereinbaren. In der praktischen Umsetzung bedeutet das, das Institute je nach eigenem spezifischen Bedarf konkrete Gestaltungsfelder flexibler Arbeitsformen, Agilität in neuen Organisationsformaten, Zusammenarbeit in institutsübergreifenden Kooperationsformaten und veränderte Führung und verstärkte Selbstorganisation in modernen Arbeitsweltenfür sich aufbauen und umsetzen.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) berät Wirtschaftsunternehmen bei der Einführung neuer Arbeitsformen und -prinzipien. Im Rahmen von „New Work@Fraunhofer“ bringt das IAO diese Expertise mit ein. Es begleitet aktuell fachlich, wissenschaftlich die Umsetzung von Pilotthemen an einzelnen Fraunhofer-Instituten und gestaltet gemeinsam mit der Zentrale die strategische und langfristige Verankerung von New Work in der Fraunhofer-Gesellschaft.

Anforderungen an Führung und Selbstorganisation ändern sich bei der Einführung von flexiblen Arbeitsformen

Im Fraunhofer-Institut für Umwelt und Sicherheitstechnik UMSICHT wird im Rahmen der New Work-Pilotierungsphase ein Leuchtturm aufgebaut, flexibles Arbeiten in stark selbstorganisierten Teams so zu fördern, um dadurch das Mitarbeitenden-Engagement zu stärken, die Ressourcennutzung zu verbessern und letztlich auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden zu verbreitern. Dazu wird mit drei Abteilungen mit insgesamt 29 Mitarbeitenden als Pilotbereich in mehreren Arbeitssträngen gearbeitet: Auf Basis der Einführung von flexiblem Arbeiten werden die besonderen Anforderungen an Führung im flexiblen Arbeitskontext sowie an die Kompetenzen der Mitarbeitenden herausgearbeitet.

Ausgangssituation am UMSICHT

Das UMSICHT beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit mit dem Thema des Flexiblen Arbeitens und hat dazu in einer Instituts-Arbeitsgruppe ein Arbeitspapier erstellt, das Zielsetzung, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für den Einsatz flexibler Arbeitsmöglichkeiten beschreibt. Ein Schwerpunkt ist dabei das räumlich flexible Arbeiten (home/ flexible office). Zur Umsetzung der Überlegungen stellt sich das UMSICHT vor allem folgende Fragen: Wie lässt sich das flexible Arbeiten in den unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlichen Arbeitsbedingungen umsetzen? Welche Anforderungen ergeben sich daraus – vor allem an Führung? Zur Unterstützung bei der Bearbeitung dieser Fragestellungen beteiligt sich das UMSICHT als Pilot-Institut im Projekt New Work zum Themenschwerpunkt Führung und Selbstorganisation.

Einbeziehung von Management und Betriebsrat

In der Vorbereitungsphase waren die Institutsleitung, die Verwaltungsleitung, die Personalentwicklung sowie der Betriebsrat sowie die Expertinnen vom Fraunhofer IAO und der Zentrale einbezogen. Verwaltungsleitung und Personalentwicklung haben sehr schnell drei Pilot-Abteilungen identifiziert und für die Mitarbeit gewonnen. Diese drei Abteilungen sind in drei unterschiedlichen Institutsbereichen verortet und haben sehr unterschiedliche Ausgangslagen in Bezug auf das Thema Flexibles Arbeiten: Es handelt sich um zwei wissenschaftliche Abteilungen, von denen sich eine bereits seit einiger Zeit mit Instrumenten des Flexiblen Arbeitens auseinandersetzt, während die andere Abteilung dies in weiten Teilen erst im Rahmen des Instituts-Projektes begonnen hat. Hierzu kommt eine Abteilung, die als interner Dienstleister Analysen und Berechnungen für die Wissenschaftsabteilungen des Instituts anbietet und bisher mit einem hohen Anteil an räumlicher gebundener Arbeit aufgestellt ist. Diese große Varianz ermöglicht eine breite Analyse im Rahmen des Pilot-Projektes.

Als technische Voraussetzung für das Pilotprojekt haben Instituts-und Verwaltungsleitung die Pilot-Abteilungen flächendeckend mit technischem Equipment zum mobilen Arbeiten ausgestattet (eigene Geräte inkl. aufgespielter Spezial-Software zur Durchführung spezifischer Arbeiten, Kollaborations-Tools).

In einem KickOff-Workshop aller drei Abteilungen wurden Zielsetzung und Rahmenbedingungen des Projektes gemeinsam abgestimmt und bisherige Erfahrungen sowie Erwartungen abgeglichen. Daran orientiert haben sich die drei Pilot-Abteilungen jeweils eine eigene Struktur für die Pilot-Phase gegeben. Für alle drei Abteilungen wurde als ein erster Schritt in diese Detail-Arbeit ein Workshop zur Erarbeitung einer Teamcharta verabschiedet.

Zur Reflexion der Auswirkungen der flexiblen Arbeitsformen auf das Führungsverhalten wurde außerdem ein Workshop mit den beteiligten Führungskräften (Abteilungsleitungen und Teamleitungen) durchgeführt. Die Führungskräfte haben sich darin mit folgenden Fragestellungen beschäftigt: Wie verändert sich Führung? Welche Führungsaufgaben können bzw. sollen verteilt werden? Welche Führungskompetenzen sind im Flexiblen Arbeiten notwendig? Wie kann man mit der Gefahr der Entgrenzung im selbstgesteuerten Arbeiten umgehen? Neben dem Erfahrungsaustausch untereinander erhielten die Führungskräfte auch kleine Inputs/ Impulse seitens der Projektsteuerung des IAO und der Zentrale. Ergänzend zu dieser gemeinsamen Reflexion der Führungskräfte steht als nächstes Element ein gemeinsamer Workshop aller Mitarbeitenden der Pilot-Abteilungen an, der sich mit den Auswirkungen der flexiblen Arbeitsformen auf die Entscheidungsmechanismen im Team und auf die Selbstorganisation der Einzelnen bezieht.

Bis Mitte 2020 erproben die Pilot-Abteilungen nun in der Hauptphase der Pilotierung verschiedene Elemente des flexiblen Arbeitens, die sie in den jeweiligen Teamworkshops vereinbart haben. Zum Abschluss des Projektes werden die Erfahrungen der Pilot-Abteilung gemeinsam mit dem IAO und der Zentrale evaluiert. Auf Basis der Erfahrungen und Empfehlungen der Pilot-Abteilungen wird dann ein Roll-Out der Elemente des Flexiblen Arbeitens inkl. der abgeleiteten Maßnahmen zu den Themen Führung und Selbstorganisation am Institut geplant.

Prof. Dr. rer. publ. ass. iur. Alexander Kurz, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft e.V.

„Mit „New Work@Fraunhofer“ als Innovationsmotor für die angewandte Forschung gehen wir die rasanten Veränderungen der Arbeitswelt proaktiv und mit visionärem Denken an, um durch flexibles Arbeiten, agile Strukturen, Transparenz, Kooperation und strategische Personalentwicklung Chancengerechtigkeit in den Strukturen, Prozessen und der Kultur von Fraunhofer weiter auszubauen.“

Prof. Dr. rer. publ. ass. iur. Alexander Kurz, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft e.V. – Personal, Recht und Verwertung

Teamcharta – Was ist das?

Selbststeuerung braucht verbindliche Absprachen des Teams mit der Führungskraft sowie der Teammitglieder untereinander: Neben Vereinbarungen organisatorischer Natur (z.B. der Einrichtung eines gemeinsamen elektronischen Kalenders bzw. dem Freischalten der Kalender untereinander) stehen dabei die Verteilung von Verantwortung zwischen Führungskraft und Team sowie der Teammitglieder untereinander als auch Prinzipien der Zusammenarbeit im Fokus. Als bewährte Methode zur Abstimmung und Aushandlung dieser Themen bietet sich die Entwicklung einer Teamcharta im Rahmen eines Teamworkshops an. Ziel eines Teamcharta-Workshop ist es, eine verbindliche Regelung unter Wahrung der Interessen aller Beteiligten sowie unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen zu treffen.
Deshalb ist die möglichst umfassende Teilnahme aller Teammitglieder im Rahmen des Workshops erforderlich, denn letztlich sollen die erarbeiteten Regelungen von allen getragen werden. Erfahrungsgemäß haben sich eine Reihe von Themengebieten herausgestellt, die in jedem Fall diskutiert werden sollten. Dazu gehören unter anderem Vereinbarungen zur zeit-und ortsflexiblen Arbeit sowie die Themen individuelle Erreichbarkeit und Kommunikation und gemeinsamen Verantwortung, Selbstverantwortung und Entgrenzungsprophylaxe.

Führung und New Work – was verändert sich?

Auch im Rahmen Flexiblen Arbeitens sowie von New Work im Allgemeinen gibt es natürlich Führungsaufgaben – sie sind aber nicht auf Einzelpersonen beschränkt: Verschiedene Personen im Team können Anteile an Führungsaufgaben übernehmen z.B. Strategieentwicklung, fachliche Weiterentwicklung, Kundenbetreuung, MA-Entwicklung. Für Führungskräfte bedeutet das eine Veränderung sowohl in den Tätigkeiten als auch in den Anforderungen – vor allem steigen die Bedeutung der Delegationsfähigkeit und des Empowerments der Mitarbeitenden. Zudem stellt ein gestiegenes Maß an Selbstorganisation auch gesteigerte Anforderungen an Teams und Individuen: Die Verteilung von Führungsaufgaben macht Teamstruktur komplexer, Kommunikation und Konfliktmanagement werden noch wichtiger, zudem steigen Anforderungen an individuelle Selbststeuerungs-Kompetenzen der Mitarbeitenden. Dabei werden Vereinbarungen und Regeln im Team wichtiger und ändern sich viel schneller als bisher: Denn der Hierarchieabbau beschleunigt Steuerungs- und Entscheidungsprozesse nur, wenn diese im Team verbindlich geregelt sind in enger Frequenz überprüft und regelmäßig angepasst werden.