Praxisbeispiel Bärbel Behncke: Mit 57 Jahren Führungskraft in Teilzeit
Im September 2021 feiert Bärbel Behncke ein Jubiläum: Dann ist sie seit 45 Jahren bei der Deutschen Bahn tätig. Nach unterschiedlichsten Stationen – u.a. als Schichtleiterin und Ausbilderin am Standort Rostock, wechselte sie 2004 in die Personalgewinnung und nach Hamburg. 2017 entschied sie sich, in Teilzeit zu gehen. Seit 2018 ist sie Teamleiterin Recruiting Schüler für die Region Nord und kümmert sich gemeinsam mit ihrem zehnköpfigen Team an zwei Standorten (Hannover und Hamburg) darum, dass freie Ausbildungsplätze in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg besetzt werden.
Wie war es, mit Ende 50 Teamleiterin zu werden?
Mein Gefühl war kurz zwiegespalten. Einerseits hat es mir geschmeichelt, dass meine Arbeit und meine Erfahrung wahrgenommen wurden. Mir wurde mehr zugetraut, als ich es zunächst selbst tat. Andererseits hatte ich zunächst ein bisschen Respekt – auch andere hätten diese Aufgabe übernehmen können. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich das kann. Meine Erfahrung, Weiterbildungen, die Wertschätzung von Kolleg*innen aus anderen Abteilungen und vor allem mein großartiges Team haben mir dabei sehr geholfen.
Was bedeutet Ihnen diese Position?
Für mich war es etwas Besonderes. Aus dem Team heraus in die Leitung zu gehen war ganz klar ein Vorteil, denn das gegenseitige Vertrauen war schon da. Ich weiß, dass ich mich auf meine Kolleg*innen verlassen kann. Als Teamleiterin motiviere ich sie und gebe die Marschrichtung vor, trotzdem lerne auch ich jeden Tag von ihnen. Ich hätte nicht gedacht, dass mir die Aufgabe so viel Spaß macht. Aber das liegt wirklich an meinem Team – auf das lasse ich nichts kommen.
Was mussten Sie damals lernen und was lernen Sie immer noch?
Vieles. Ganz klassisch: Wie führe ich ein Team? Meine Rolle im Team hat sich verändert. Mit hat sehr geholfen, dass ich meine langjährige Berufserfahrung in die neue Position miteinbringen konnte. Am Ende war und ist es ein Geben und Nehmen: Ich unterstütze viele Kolleg*innen durch meine Kenntnisse, gleichzeitig profitiere ich von ihren. Jetzt weiß ich zum Beispiel, wie wir in den neuen digitalen Kanälen potenzielle Kandidat*innen für unsere Ausbildungsplätze gewinnen. Jede*r im Team hat eine eigene, wertvolle Rolle.
Die neue Rolle als Führungskraft – welche Unterstützung gab es in dieser Phase von der Deutsche Bahn?
Da bin ich glücklicherweise nicht ins kalte Wasser geworfen worden. Ich hatte Gelegenheit, bei der vorherigen Teamleitung zu hospitieren, habe Lehrgänge besucht und konnte Erfahrungen sammeln und diese dann auch besprechen.
Was meinen Sie: Was schätzt das Unternehmen an Ihnen?
Ich glaube, ich kann sehr gut vermitteln, dass die Deutsche Bahn eine sichere und gute Arbeitgeberin ist. Wenn ich mit meinen jüngeren Kolleg*innen auf Veranstaltungen gehe, dann haben viele gar nicht bei der Bahn gelernt – da kann ich dann punkten und ziemlich genau sagen, was man in den unterschiedlichen Ausbildungen bekommt. Ich kommuniziere dann, wie verantwortungsvoll die Berufe sind und welche Qualitäten hier besonders hilfreich sind.
Haben Sie schon einmal Vorurteile Ihnen gegenüber erlebt?
Nein, ich spüre viel mehr, dass meine Erfahrungen und mein Wissen als Vorteil gesehen werden. Klar wenden sich viele der potenziellen Azubis im ersten Schritt an ihre Altersgenoss*innen. Aber oft holen sie mich zu einem Gespräch dazu.
2017 sind Sie in Teilzeit gegangen. Hat es Sie überrascht, als Ihnen 2018 die Führungsposition als Teamleiterin angeboten wurde?
Teilzeit bei der Deutschen Bahn ist selbstverständlich und wird nicht hinterfragt. Die Aufgaben im Team werden so aufgeteilt, dass es funktioniert. In vielen Fällen ist das planbar, zum Beispiel, wenn Kolleg*innen nach Elternzeit, Krankheiten oder anderen Ereignissen zurückkommen.
Für mich sind Planung, Transparenz und gute Kommunikation das Wichtigste. In meinem konkreten Fall bedeutet das: Alle wissen, ich bin freitags nicht da. Gemeinsam finden wir Lösungen, sodass die Teilzeit eingehalten werden kann und dennoch nichts liegen bleibt. Letztendlich profitieren alle Seiten davon – die Teilzeitbeschäftigten, das Team und die Deutsche Bahn.
Wo sehen Sie persönlich die Chancen flexibler Arbeitsmodelle?
Ich sehe da vor allem drei Aspekte. Erstens bieten sie Kolleg*innen die Chance, sich weiterzuentwickeln, z.B. im Modell 80 Prozent Arbeit und 20 Prozent Studium. Zweitens zeigen sie, dass Unternehmen und Beschäftigte wirklich Hand in Hand gehen. Ich erhalte die Möglichkeit zur Regeneration und kann so viel besser und nachhaltiger meine Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Drittens gehören sie untrennbar zur Unternehmenskultur der Deutschen Bahn, sie sind gesetzt und Standard. Und ich bin das beste Beispiel, dass sie funktionieren – auch als Führungskraft.
Spielen flexible Arbeitsmodelle eine wichtige Rolle im Recruiting der Auszubildenen?
Das erlebe ich weniger. Hier spielen andere Faktoren eine größere Rolle, beispielsweise eine gute Ausbildung, eine sattelfeste Arbeitgeberin, die Bezahlung, Pünktlichkeit, dass Arbeit Spaß macht. Der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen kommt erst später.
Was schätzen Sie an der Deutschen Bahn als Arbeitgeber?
Von Anfang an habe ich mich bei der Bahn gut und sicher aufgehoben gefühlt. Ich habe immer die Möglichkeiten bekommen, mich auszutesten, weiterzubilden und weiterzuentwickeln. Entsprechend meinen Fähigkeiten konnte ich immer Arbeit finden. Früher wollte ich Lehrerin werden. Dass ich dann lange Jahre als Ausbilderin tätig war, ist im Nachhinein sogar noch besser gewesen, weil ich so Theorie und Praxis perfekt miteinander verbinden konnte.
#eswirdechtzeit: Die Deutsche Bahn setzt für mehr Chancengerechtigkeit vor allem auf die Flexibilisierung von Arbeitsmodellen als Must Have. Was dahinter steckt, lesen Sie hier. Im Interview erklärt Martin Seiler, Vorstand Personal und Recht bei der Deutschen Bahn, was ihn antreibt. Die Deutsche Bahn hat
viele dieser Maßnahmen in den vergangenen Jahren bereits erprobt. Hier erzählen Mitarbeiter*innen, wie die Maßnahmen in der Praxis funktionieren: