
Frauen in Führungspositionen Für mehr Frauen in Führungspositionen müssen sich Unternehmen ändern
Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, müssen sich Organisationsstrukturen und Personalführung ändern. Welche Lösungsansätze gibt es?
„In unserem Unternehmen zählt nur die Leistung, nicht das Geschlecht.“ Dieser Satz fällt häufig, wenn es um Diversität und Geschlechtergleichheit in Führungspositionen geht. Ein Irrglaube, wie Robert Franken, Experte für Digitale Transformation und Feminist, weiß. In seinem Blog „Digitale Tanzformation“ schreibt er: „In männlich dominierten Umgebungen haben Frauen schlicht und ergreifend nicht den Hauch einer Chance, ihr Können und ihr Potenzial zu entfalten. Diese Systeme und Organisationskulturen sind ausschließlich auf das Fortkommen von Männern ausgerichtet.“ Es sei ein Kardinalfehler der Personalabteilungen, Frauen durch Fortbildungen und Coachings das männliche Führungssystem beizubringen – denn nicht sie, sondern die Organisationsstrukturen müssten sich ändern. „Wir brauchen emotional intelligente Führungskräfte, die unsere Systeme und Strukturen dehnen können“, erklärt er. „Nur so entstehen Freiräume, in denen wir kreativ und innovativ agieren können.“ Franken plädiert für Organisationseinheiten, die sich um das Kerngeschäft kümmern, und parallel für von allen akzeptierte flexible Einheiten für Experimente, neues Denken und Arbeiten. Dies führe in Unternehmen zwangsläufig zu einem gewissen Maß an Binnendiversität, sodass Innovation und Prozessoptimierung einander nicht ausschließen.
Unbewusste Muster aufbrechen
Ein Blick in die Führungsetagen deutscher Unternehmen bestätigt Frankens Position. Häufig stehen noch immer Männer an der Spitze. Auch 2018 gibt es nach wie vor Unternehmen, deren Zielgröße für den Frauenanteil in der Geschäftsführung bei null Prozent liegt. Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin belegen: Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 106 Unternehmen, die seit Anfang 2016 zur Quote verpflichtet sind, lag bei rund 27 Prozent. In den Vorstandsbereichen derselben 106 Unternehmen lag der Anteil der weiblichen Führungskräfte 2016 nur bei 6,5 Prozent. Maren Lehky, Unternehmensberaterin und Autorin, sagt: „Männer stellen meist ihresgleichen ein. Dieses unbewusste Muster ist beispielsweise bei Größe, Habitus, Lebenslauf und eben auch beim Geschlecht zu beobachten. Man fühlt sich instinktiv mit dem wohl, was man kennt. Wozu dann Experimente?“
Geschlechtsunabhängige Talentförderung

Die Konsequenzen sind spürbar: Viele Frauen scheiden vor dem Erreichen einer Führungsposition aus dem Unternehmen aus. Die Gründe, aus denen junge – vor allem weibliche – Talente ein Unternehmen wieder verlassen, werden von Führungskräften häufig falsch eingeschätzt. Das zeigen die Ergebnisse der Studie „What executives need to know about millennial women“ des International Consortium for Executive Development Research (ICEDR). Anders als vermutet, liegen die Beweggründe oftmals nicht zwingend in der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Stattdessen geht es den Frauen – ebenso wie den Männern – um eine angemessene Bezahlung, um Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens, um eine sinnvolle und fordernde Tätigkeit, um Wertschätzung und Kommunikation.
Eine Erkenntnis, die für einen Wandel in der Personalführung und -entwicklung spricht. Die logische Konsequenz: eine geschlechtsunabhängige Talentförderung. Auf diese Weise ließen sich die Ressourcen und Potenziale aller nutzen und die sich ergänzenden Stärken beider Geschlechter optimal ausschöpfen. Franken schreibt in seinem Blog: „Der Schlüssel zur Nutzung und Entfaltung echter Komplementarität im Zusammenwirken der Geschlechter lautet: Gender Empathy.“ Das Prinzip beruht auf der Fähigkeit, Vielfalt zu antizipieren und die Unterschiede von Frauen und Männern positiv nutzbar zu machen.
Vielfalt als Erfolgsfaktor
Zahlreiche Studien zeigen, dass vor allem die geschlechterspezifische Diversität den betriebs- und volkswirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen positiv beeinflusst. „Frauen sind in der Lage, viele unterschiedliche Parameter bei der Suche nach Lösungen einzubeziehen“, erklärt Franken. „Sie bringen eine andere Art von Kommunikation und Kollaboration mit an den Tisch. Und sie können dabei helfen, uns von schädlicher Normativität zu befreien.“
Das kann zu mehr Inspiration und Kreativität führen und ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. „Agilität und Innovationsfähigkeit sind überlebenswichtig und ohne neue Führungsstrukturen und Vielfalt in den Teams nicht zu haben“, bestätigt auch Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright Stiftung, die sich für mehr Frauen und Diversität in Führungspositionen einsetzt. „Es reicht nicht, Frauen zu rekrutieren – man muss auch aushalten können, dass sie möglicherweise anders agieren als Männer“, erklärt Ankersen. Denn ganz gleich, ob es um Entscheidungsfindungen oder Konfliktlösungen geht, das Wissen und das Verständnis für die unterschiedlichen Denk- und Handlungsmuster von Frauen und Männern können Teamarbeit grundlegend verändern und zu völlig neuen Ergebnissen führen. „Gender Empathy“ baut auf die komplementäre Kraft von Diversität, statt die Unterschiede – in diesem Fall zwischen den Geschlechtern – zu betonen.
Die Entfaltung dieses Potenzials ist nach Frankens Auffassung eine der wichtigsten Managementaufgaben der Zukunft – darin stecken Chancen für eine erfolgreiche digitale Transformation, für best – mögliche Zusammenarbeit und ein ideales Mit einander: „Durch die Entfaltung vorhandenen Potenzials können Unternehmen aus bestehenden Ressourcen viel mehr herausholen, als es durch die Implementierung neuer Technologien auch nur ansatzweise möglich wäre.“ Diversität und „Gender Empathy“ als Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg zu verstehen ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern der moderne Weg der Unternehmensführung.